Geschichte

St. Antonius-Schützen-Gilde Kevelaer (1531)
– gestern und heute –

von Rudi van Bühren

Wann die St. Antonius-Schützen-Gilde Kevelaer gegründet oder entstanden ist, kann heute wohl leider nicht mehr festgestellt werden. Die Gründung der Antoniuspfarre Kevelaer 1472 und die St. Antonius-Schützen-Gilde stehen unzweifelhaft in engem Zusammenhang.

Sicher aber ist, dass die Gilde Kevelaers erste Nachbarschaft gewesen, und als solche in ihrer Gründungszeit und noch viele Jahrhunderte später ganz andere Aufgaben und Ziele verkörpert hat als heute. Das Leben des 15. bis 18. Jahrhunderts in Kevelaer ist sehr eng auch mit den „Bruders” der St. Antonius-Schützen-Gilde verbunden. So waren es die immer regelmäßigen Treffen (1621) „op synt tuennes dach” 17. Januar, auf St. Antonius Tag, die stets gut organisierten Nachbarschaftsversammlungen mit Neuaufnahmen „op vastenlaevent Diensdagh”, und das jährlich stattfindende Vogelschießen, die den Alltag und die Nöte der Mitglieder vergessen ließen und für Abwechslung sorgten. Die Armenverwaltung in Kevelaer lag ebenfalls großteils in der Verantwortung der Antonius-Gilde. Die turbulenten Ereignisse des 15. Jahrhunderts werden für die „Bruders” Veranlassung gewesen sein, innerhalb ihrer Nachbarschaft eine Schützengruppe zu bilden, die als ganz normales Schutzorgan gegen räuberische Überfälle und sonstige Verbrechen gedacht war.

Der erste belegbare Hinweis auf die Existenz der St. Antonius-Schützen-Gilde Kevelaer findet sich in einem Zinsregister von Schloss Wissen aus dem Jahre 1531 mit dem Eintrag: „Wylhelm van Berteraide Johanss (oen) van 2 mergen lantz, 3 denarios, sunt Antonius gilde t Keveler 1531″, „Wilhelm van Berteraide, Sohn von Johann van Berteraide, von 2 morgen Land, 3 Denarios, St. Antonius Gilde zu Kevelaer 1531″. (Archiv Schloss Wissen, Akten Nr. 171, Zinsregister C)

Dem Antonius-Gildenmeister wurde vom damaligen Herrn von Wissen, Franz von Loe, Land an die Hand gegeben (behandigt), um es nach seinem Willen weiter zu verpachten oder selber zu bewirtschaften. Aus dem erwirtschafteten Landertrag konnte die Gilde ihren karitativen Aufgaben nachkommen. Dafür musste die Gilde einmal jährlich am Sonntag nach Martini (11. November) einen festen, symbolischen Zins in Wissen abrechnen. In den ältesten, sich in unserem Besitz befindlichen Unterlagen, (Rechnungsbelege aus den Jahren 1647-1649) wird der Kaufmann „Hendrick Busmann” als „Wachszinspflichtiger” bezeichnet. In einem Palungsbuch des Domkapitels zu Xanten aus dem Jahre 1665 werden sechs Morgen „behandigtes” Gildenland im Vorster Feld erstmals grafisch dargestellt. Ein Palungsbuch ist ein Liegenschaftsverzeichnis, gleichsam ein Vorläufer des heutigen Katasters. Im Jahre 1635 waren die „behandigten” Liegenschaften der Gilde auf ca. 16 Morgen angewachsen. 1662 wurde die „Schuttroye” (Das Gelände um die Vogelstange) der Gilde erstmals erwähnt. Aus einem Beleg unseres Rechnungsführers, Peter Holtappels, aus dem Jahre 1649 für 6 Gulden einen neuen Königshut gekauft zu haben, geht eindeutig hervor, dass auch damals eine Art Schützentracht zur Tradition gehörte.

Die ersten nachweislichen Satzungen aus dem Jahre 1693 sind in einem Gildenbrief vom damaligen Landvogt Arnold Adrian von Hoensbroech (er war gleichzeitig auch „Broederschaps-Capitaine”) aufgestellt und unterschrieben worden. In den Unterlagen der folgenden Jahrhunderte wird die St. Antonius-Gilde immer wieder aufgrund der eingehenden Pachtzinsen in Jahresrechnungen oder in neuen Gildenbriefen der Lehnsherren namentlich erwähnt.

1734 baute Anton Martens das St. Antonius-Heiligenhäuschen an der Walbecker Straße. Anton Martens war seit 1721 Mitglied der Antonius-Gilde und wohnte auf dem, dem Antonius-Häuschen gegenüberliegenden Helmanns-Hof.

1741 wird eine festgesetzte Aufnahmezahlung vereinbart. Jeder neue Gildenbruder musste binnen eines Jahres zwei Spint Roggen, eine halbe Tonne Bier und ein viertel Pfund Salz für seine Aufnahme einbringen. Die Aufnahmezahlung wurde dann vom Gildenmeister verbucht und für karitative Aufgaben innerhalb der Gemeinschaft verwand.

Der jeweilige Gildenmeister übte auch das Amt des Armenverwalters in Kevelaer aus. Als 1750 Johannes Raaff (seit 1735 Mitglied in der Antonius Bruderschaft) Armen- und Gildenmeister war, wurde das Dach der Schule repariert, Tische und Bänke erneuert, sowie die Kosten für den Schulmeister übernommen. Es werden Findelkinder aufgenommen und in barmherzigen Familien untergebracht. Die Gilde zahlt die Miete und beträchtliche Summen für Verpflegung und Bekleidung.

Alljährlich zu Ostern und Weihnachten wurden 20 bis 30 Pfund Speck gekauft und an die Armen verteilt, sowie Brot, das von 2 Malter auf dem Gildenland geernteten Roggen, gebacken wurde. (1 Malter = 6,955 hl) Den Armen der Ärmsten aber wurde über das ganze Jahr in ihrer Not geholfen. Brot, Kleidung oder neues Schuhwerk (Klompen) konnten auf Antrag beim Armenmeister angefordert werden. Ein Auftrag, der mit viel Gefühl und dem Blick für Gerechtigkeit ausgeführt werden musste. Viele Anträge wurden jährlich gestellt, nicht allen aber konnte stattgegeben werden.

Jahrhundertlang konnten diese karitativen Tätigkeiten ungehindert ausgeübt werden. Wenn man bedenkt, dass im 16./17. und 18. Jahrhundert noch keine öffentliche Armenpflege bestand, und die Gilden neben der Kirche die einzigen Organisationen waren, die sich der armen, kranken und verlassenen Menschen annahmen, wird uns deren Bedeutung für das Allgemeinwohl erst recht bewusst.

Ende des 18. Jahrhunderts mussten die Bruderschaften und Gilden ihre für die Bevölkerung so hilfreichen Aufgaben fast ganz einstellen. Durch einen Erlass der französischen Nationalversammlung von 1791 wurden bei Androhung strengster Strafen sämtliche Gildentätigkeiten verboten. Auch unsere Region stand kurze Zeit später ab 1794 unter französischer Verwaltung.

Von 1794 bis 1801 sind es nur sehr wenige und bis 1815 gar keine Aufzeichnungen mehr, die über die Antonius-Gilde berichten. In diesen schweren Jahren der Besatzung wurden oftmals Grundstücke oder ganze Ländereien auf die Besatzer umgeschrieben oder enteignet. Die St. Antonius-Gilde hat ihren (behandigten) Landbesitz, der zu dieser Zeit noch zwölf Morgen betrug, ebenfalls verloren.

Nach der französischen Besatzungszeit erhob sich das Gildenleben nur langsam aus seinem Tiefschlaf und erwachte zu neuer Blüte. Nach der fast 20-jährigen Zwangsunterbrechung hatte sich das Gildenleben, die Aufgaben und die Sitte grundlegend geändert. Fast nichts war mehr wie vorher. Am 29. Mai 1816 begann für die Antonius-Gilde der Neuanfang. Auf einer Versammlung wurde der Bestand gesichtet, neue und alte Mitglieder in die Verantwortung geholt. Joh. Hendrick Beyers, Mitglied seit 1782, wurde zum Capitaine (Präsident) gewählt. Ein Mann mit Weitblick, der auch die alte Zeit noch gekannt hatte. Schon kurze Zeit später hatte die Gilde wieder 44 neue Mitglieder.

Am 25. November 1823 kaufte der damalige Capitaine (Präsident), J. H. Beyers, im Auftrag der Antonius-Gilde den ca. 11 Morgen großen Gildenkamp an der heutigen Südstraße. 1823 war es der Gilde als Verein nicht möglich selber Land zu erwerben. Die Versuche, die Aufgaben der Armenverwaltung und die karitativen Hilfen wieder aufzubauen sind gescheitert. Dieser Gildenkamp ist auch heute noch im Besitz der St. Antonius-Schützen-Gilde. Am 6. Dezember 1823 schloss J. H. Beyers als Capitaine mit der Antonius-Gilde folgenden auch viele Jahre später noch gültigen Vertrag:

„Onderschreven Capitaine J.H. Beyers van het Broederschap van St. Antonius verklaert krachtens deeses dat nar syn Afsterven ofte Nederlegging van syne Capitaine Plaetse het Bestier (das Eigentum) van den angekogten Kamp ten voordeele van het Broederschap te overdraegen aen den opvolgenden Capitaine van hetselve alsmede renonceerd (womit es übergeht) ingevolge deeses op desselfs Eygendoom.”

Am 28. Januar 1824 starb Capitaine Beyers in Alter von 76 Jahren, sein Nachfolger wurde Albert Aymans, der am 10. Mai 1824 ebenfalls mit der Antonius-Gilde einen Übergabevertrag geschlossen hat. Für das Jahr 1826 schreibt der Chronist erstmals von einer „Feier auf St. Anthonius Mondag.” Dieser Traditionstag hat auch heute noch seinen festen Platz in der Gilde. Alljährlich begeht man am Montag nach Antonius (17. Januar) das Patronatsfest.

1869 bekam die Gilde zum ersten Mal eine gestickte Vereinsfahne. Für die Anschaffung der neuen Fahne wurden durch Zeichnung freiwilliger Beiträge vierundneunzig Taler zusammen gebracht. Die neue Vereinsfahne wurde in der Paramentenwerkstatt van de Weyenberg in Kevelaer angefertigt und der Antonius-Gilde am 3. Oktober 1869 übergeben. Am Abend des selben Tages feierten die Bruders von dem kleinen Überschuss aus der Sammlung ein feucht fröhliches Fahnenfest.

Nicht in jeder Zeit ihrer traditionsreichen Geschichte wurde die Gilde verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert geführt. 1874 und 1890 (wohl finanziell sehr schwierige Jahre für die Gilde) wurde zur Aufbesserung der Vereinskasse, 12 Thaler 1874 und 56 Mark 1890, sämtliches altes Schützensilber verkauft. Nur eine Plakette, der Jubelorden von Jan Beyers aus dem Jahre 1818, ist uns bis heute erhalten geblieben. Der Text lautet: (Ewiges Heil -J. Beyers- unserem lieben / teuren Führer und Jubilar. -1818-) Diese Plakette und ihr Text werfen immerhin ein wenig Licht auf die Bedeutung der Person des Johann Beyers für die Antonius-Gilde, der versucht hatte, die Zeit anzuhalten und Traditionen zu bewahren.

Beim Patronatsfest im Januar 1885 wurde einstimmig von allen Bruders beschlossen den Gildenkamp zu verkaufen. Der Gildenkamp war teilweise Brachland und brachte fast keine Pacht (Rent) ein. Es wurde eine Kommission gebildet, die den Wert des Gildenlandes bestimmen sollte. Unter der Aufsicht des Herrn Notar Block wurde das Grundstück am 24. März 1885 zum Preis von 1.500 Mk. angeboten.

Bei dem angesetzten Ortstermin konnte aber kein geeigneter Käufer gefunden werden. Auf der nächsten Versammlung wurde dann beschlossen den Gildenkamp nicht mehr zu verkaufen, sondern das Land sollte ganz urbar gemacht werden, um es als Ackerland oder Wiese zu verpachten.

Das Vereinslokal (Staervhüß) befindet sich seit 1896 im Hotel Voss, (Weißes Kreuz) Kapellenplatz 21. Im Frühjahr des Jahres 1896 wurde den Bruders von der Ww. Johann Opwis (Hotel goldener Apfel) mitgeteilt, dass nach dem Tod ihres Mannes die Gilde sich ein neues Vereinslokal suchen müsste. Mehr als 200 Jahre lang war der goldene Apfel das Zuhause der St. Antonius-Schützen-Gilde gewesen. Kurze Zeit nur waren wir Gast im Lokal von Schützenbruder Peter Opwis, es stellte sich aber schnell heraus, dass die Räumlichkeiten nicht groß genug waren. Auf einer außerordentlichen Versammlung entschieden sich die Mitglieder dann für das Lokal von Anton Voss, Kapellenplatz 21.

Beim Patronatsfest 1996 feierten wir unsere 100-jährige Vereinszugehörigkeit zum Hause Voss. Eine Verbindung auf die wir mit Recht stolz sein können.

1898 wurde erstmals eine Sterbekasse eingeführt. Die Beiträge zur Sterbekasse wurden von den Mitgliedern freiwillig gezahlt. Der Beitrag setzte sich aus 50 Pf. einmaliger Aufnahmegebühr und einer monatlichen Zahlung von 20 Pf. zusammen. Die Hinterbliebenen erhielten 40 MK. Diese Sterbekasse wird auch heute noch geführt und ist ein fester Bestandteil unserer Tradition.

Da die ältesten bis dahin in unserem Besitz befindlichen Schriftstücke aus dem Jahre 1707 stammten, feierten wir 1907 unser 200-jähriges Jubelfest. Nach alter Tradition und Gewohnheit fand das jährliche Preis- und Königsschießen auf dem Gildenkamp am 21. April statt. Jubelkönig wurde nach einem spannenden Wettkampf Josef Verhaelen, während die „Bruders” Heinrich Hermens und Gerhard Janssen als Preisträger dekoriert wurden. Die Kosten für das Vogelschießen und noch einiger anderer gemütlicher Zusammenkünfte in den Wintermonaten wurden aus der Landpacht unseres ca. 3 Hektar großen Grundstücks (des sogenannten Gildenkamp), bestritten. Das 200-jährige Jubelfest wurde am 12. und 13. Mai 1907 durchgeführt. Der Festgruß lautete „Was ziehet heran so frank und frei, mit blitzenden Ehrenschilde? Das sind die Männer bieder und treu, der Sankt Antonius-Gilde”. Diese groß angelegt durchgeführte Feier fand unter der Beteiligung des Herrn Bürgermeister Matthias Marx, Prälat Bertram Brockes, Jubelkönig Josef Verhaelen und aller anderen Kevelaerer Vereine statt. Ebenso waren in diesen Tagen und beim großen Festumzug 10 weitere Antonius-Gilden aus der näheren und weiteren Umgebung, sowie drei Musikkapellen unsere Gäste. Auf diesem Fest, wurde zum ersten Mal, über gemeinsame Aktivitäten nachgedacht. Das 200-jährige Jubelfest der Gilde darf man auch als Vorläufer der gemeinsamen Kirmesfeier in Kevelaer bezeichnen.

Im Jahre 1908 wurde auf Vorschlag des Bürgermeisters und Ehrenpräsidenten der Antonius-Gilde, Matthias Marx, aus der Sommerkirmes ein richtiges Volksfest, mit der Beteiligung aller Kevelaerer Vereine. Die Geselligen Vereine von Kevelaer wurden geboren.

Aus Anlass seiner 25-jährigen Mitgliedschaft schenkte uns im Jahre 1914 Jakob Manten einen neuen Betstab. Seit Jahren schon wurde ein solcher Betstab bei kirchlichen Prozessionen sehr vermisst. 85 Jahre später, 1999, wird der Stab von Klaus Beckers, Sohn von Jakob Beckers, seinem Zweck entsprechend genutzt.

Am 03. Juni 1924 wurde die 1869 neu angeschaffte Vereinsfahne, die 55 Jahre lang ihren Dienst getan hatte, durch eine Neue ersetzt. Nach dem feierlichen Hochamt mit Fahnenweihe, wurde auf unserem Gildenkamp das Preis- und Königsschießen abgehalten. Heinrich Nabers gelang es nach einem spannenden Schießen, die Königswürde und den damit verbundenen Königspreis zu erringen. Ende 1924 hatte die St. Antonius-Schützen-Gilde 47 Mitglieder.

Im Jahre 1925 stellte die Gilde mit Gerhard Ingenpass zum ersten Mal den Festkettenträger. Infolge der Kriegswirren war das eigentliche für 1916 geplante Festjahr ausgefallen. Diese hohe Ehre wurde bis heute noch vier weiteren Mitgliedern zuteil, nämlich Mathias Jansen (1949), Paul Rogmann (1963) und Johann Ingenhaag (1976).

Allen Gildenbrüdern ist wohl noch das großartige Festjahr 1989 in Erinnerung, als der langjährige Hauptmann der Gilde, Hermann Toonen, zum fünften Festkettenträger ausgerufen wurde.

Am 05. Juli 1926 nahm die Gilde in einer starken Besetzung an den Feierlichkeiten zur 500 Jahrfeier der St. Antonius Bruderschaft Well teil. Unter der Leitung ihres Hauptmanns Anton Voss, der hoch zu Pferde die Gilde anführte, verlebte man während der Gedenkfeierlichkeit in Well schöne Stunden mit unseren holländischen Nachbarn.

1932 übernahmen die Bruders die Betreuung und Pflege des St. Antonius-Häuschens an der Walbecker Straße. 33 Jahre lang, bis 1965, wurde es liebevoll von Heinrich Gründgens betreut.

Im Frühjahr 1933 wurde für 5 RM eine neue Vogelstange gekauft. Die Vogelstange wurde in den Wäldern von Schloss Wissen ausgesucht und in fröhlicher Gemeinschaft zum Gildenkamp gebracht. Schützenbruder Jakob Schraven schenkt der Gilde 1934 das Anno-Sankto-Kreuz. Jakob Schraven war im Auftrag der „Bruders” nach Rom gepilgert, um aus den Händen des hl. Vaters am 9. März diese Auszeichnung in Empfang zu nehmen. Dieses Anno-Sankto-Kreuz wird jeweils einem verdienten Schützenbruder auf Lebenszeit verliehen, der wie Jakob Schraven an einer Rom-Pilgerreise teilgenommen hat. Seit 1990 trägt es Helmut Stenmans.

Kirmes-Dienstag 1936 konnte zum ersten Mal seit Generationen das Vogelschießen nicht stattfinden. Es wurde auf einen anderen Zeitpunkt verlegt. Eine andere, neue Zeit begann. Aus besonderem Grund ließen die Vereinsverantwortlichen 1936 die Gilde in das Kirchenarchiv eintragen, um ihre besondere Verbindung zur katholischen Kirche nochmals zu unterstreichen. 1937 wurde der Gilde durch die geheime Staatspolizei jegliches öffentliche Auftreten verboten. Auf der Jahreshauptversammlung 1937 hatten sich die „Bruders”, einstimmig, für die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche entschieden und mussten sich fortan „Bruderschaft” nennen. Schon das Patronatsfest 1938 fand nicht mehr in wohlbekannter Weise statt. Nach dem morgendlichen Kirchgang zogen die Bruders nicht wie gewohnt geschlossen, sondern jeder für sich alleine und auf getrennten Wegen zum Vereinslokal um dort das Frühstück einzunehmen. Grund dafür war ein Schreiben des amtierenden Bürgermeisters Eickelberg, der aufgrund der Entscheidung der Jahreshauptversammlung 1937, der Gilde jede weltliche Aktivität verboten hatte. Der Schriftführer, Johann Minten, schreibt in einem persönlichen Satz ins Protokollbuch: „Ob diese Moral glücklich wird, wird ein kommendes Geschlecht zu beurteilen haben.” Verantwortungsbewussten Schützenbrüdern wie Jean Kamps, Hubert Hoymann (den Hospes), Johann Baldeau (de Miss) oder Heinrich Gründgens (de Duv), die den Vorsitz abwechselnd und unregelmäßig unter sich ausmachten, ist es zu verdanken, das der St. Antonius-Schützen-Gilde über die schweren Kriegsjahre (1939-1945) hinaus, Bestand und Eigentum geblieben sind. Unregelmäßig und oft sehr kurzfristig trafen sich die Mitglieder in der Kriegsjahren. Das Versammlungsverbot und die immer aufs neue eintreffenden Todesnachrichten gefallener Bruders erschwerten den Ablauf eines normalen Vereinslebens. Oftmals aber fielen das Ankerfest oder sonstige zur Gewohnheit gehörende Festlichkeiten „wegen der Schlechten Zeiten” einfach aus.

Am 08. April 1944 wurde unser langjährige Hauptmann Anton Voss unter der Beteiligung aller Kevelaerer Vereine sowie des Präsidiums der Geselligen Vereine feierlich zu Grabe getragen. Anton Voss war 47 Jahre Hauptmann der Gilde gewesen.

Am Dienstag, den 05. März 1946, versammeln sich die Schützenbrüder erstmals nach dem Krieg wieder ohne Sorge oder Angst gemeldet zu werden, um dem normalen Gildenleben wieder auf die Beine zu helfen. Johann Baldeau leitet die Zusammenkunft der 20 noch verbliebenen Mitglieder. Es wird Kassensturz gemacht: Die Gilde besitzt noch 404,60 Reichsmark. Unter der Leitung von Gerhard Ingenpaß wird der Vorstand gewählt.

Das geht schnell: Ingenpaß schlägt vor, das alte Gremium im Amt zu bestätigen. Damit wird Präsident Johann Baldeau auch der erste Nachkriegsvorsitzende der „Bruders”.

Sein Stellvertreter ist Jean Kamps, Schriftführer Mathias Janssen, Kassierer Heinrich Grüntgens. Und es geht aufwärts: Mit Josef Stange, Heinrich Tebartz und Josef Voss werden drei neue Mitglieder in die Gilde aufgenommen. Auf der Versammlung am Dienstag, den 25. Juni 1946, kommt allgemeine Freude auf. Präsident Johann Baldeau eröffnet seinen „Bruders”, dass die Wertgegenstände der Gilde, die alten Bücher und das Königssilber die Kriegsjahre unbeschadet überstanden haben. Sie waren in einem verzinkten Behälter bei Schützenbruder Johann Stratmann (heute Nellesen, Südstrasse 35a) vergraben gewesen. Davon haben nur die Mitglieder Stratmann, Baldeau, Kamps und Grüntgens gewusst. ²

Um dem Gildenkamp, wo später einmal wieder um die Königswürde geschossen werden soll, ein besseres Aussehen zu geben, schlägt Präsident Baldeau vor, neue Bäume anzupflanzen.

Seit der Beschlussfassung vom 17. November 1947 (Jahreshauptversammlung) ist die St. Antonius-Gilde Mitglied im Zentralverband der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften und Gilden, sowie Mitglied im Verband der Historischen Bruderschaften der Kreises Geldern.

1950, nach langer Planung und intensiver Vorbereitung konnte das erste Mal nach 15 langen Jahren der Entbehrung wieder ein Vogelschießen stattfinden. Um so schöner und harmonischer verlief das Fest, auf unserem ehrwürdigen Gildenkamp. Es gelang dem Gildenbruder Leo Voss, nach spannendem Schießen, die Königswürde zu erringen. 1952 legt Präsident Johann Baldeau sein Amt in jüngere Hände. Er wird von der Versammlung einstimmig, wegen seiner großen Verdienste um die Gilde, zum Ehrenpräsidenten ernannt. Der neue erste Mann heißt nun Paul Rogmann. Er ist jung (43 Jahre) und wird die Bruders 22 Jahre lang führen. Paul Rogmann macht es sich zur Aufgabe das Vorhandene zu sichern und die St. Antonius-Schützen-Gilde in eine neue Zeit zu führen. Die Zeit des Wiederaufbaus ist nicht leicht, doch es gelingt Paul Rogmann und seinem Vorstand die Mitglieder immer wieder zu motivieren und für Neues zu begeistern.

1955 wird zum erstem Mal über die Anschaffung einer Präsidentenkette in Form eines großen „T” nachgedacht. Doch so eine wertvolle Anschaffung ist für die Gilde mit erheblichen Kosten verbunden. In der Werkstatt von Mathias van Ooyen wird die Kette gefertigt und im Festjahr 1963 vom Präsidenten Paul Rogmann der Öffentlichkeit vorgestellt. 1963 wird Heinrich Gründgens für seine Verdienste um die Gilde (fast 40 Jahre im Vorstand) zum Ehrenoffizier ernannt. Am Kirmes-Mittwoch erhält er im Sitzungssaal des alten Rathauses aus den Händen von Bürgermeister Peter Plümpe und dem Präsidenten der Geselligen Vereine Josef Aengenheyster, den Ehrendegen der Stadt Kevelaer.

1966 feiern wir die 70-jährige Verbindung „Vereinslokal Voss”. Unsere Vereinswirtin Maria Voss wird am Tage des Patronatsfestes 1967 zur Ehrendame ernannt. Ein einmaliger Vorgang in der viele hundert Jahre alten Gilde. Doch auch an Neuerungen und Verbesserungen wird lebhaft und stetig gearbeitet. Ab 1969 wird die Gilde als eingetragener Verein beim Amtsgericht Geldern geführt. 1970 wurde einer der traditionellen „alten Zöpfe” in der Männ abgeschnitten. Nach langer und teilweise sehr heftiger Diskussion wurde durch geheime Abstimmung eine Mehrheit für einen neuen Schützenhut gefunden. Der Zylinder war Vergangenheit!

1971 konnten die Kevelaer Heimatfreunde Hans Werner und Ludwig Freudenhammer für die Ahnenforschung der Gilde gewonnen werden. Im Wissener Schlossarchiv wurden 1972 von ihnen alte Zinsregister gefunden, in denen die Antonius-Gilde 1544 namentlich erwähnt wird.

1974 gibt Paul Rogmann nach 22 Jahren, die Verantwortung weiter. Mit der Ernennung zum Ehrenpräsidenten bereiten ihm die Schützenbrüder eine große Freude. Er möchte sich in seinem Ruhestand noch mehr der Gilde widmen und ihre Geschichte aufarbeiten. 2 ½ Jahre später stirbt Paul Rogmann nach langer Krankheit. Sein Wunsch, die Geschichte der Gilde weiter zu erforschen, wird von einer folgenden Generation, erst 22 Jahre später erfüllt. Mit der Übernahme des Präsidentenamtes durch Johann Ingenhaag 1974 beginnen Jahre des Umbruchs, aber auch des Aufbruchs und der Neugestaltung in der St. Antonius-Gilde. 1975 wurden erstmals Jugendliche aufgenommen, 1979 kamen Schüler hinzu. Der Schießsport wurde mit in den Vordergrund gestellt und so dauerte es nicht lange, bis auch Schüler und Jugendliche eine feste Einheit bildeten. Dass dieser Entschluss richtig war, zeigen die großen Erfolge, die wir mit unserer Jugendarbeit haben. Beim Patronatsfest 1984 wird das 250-jährige Bestehen des St. Antonius-Häuschens gebührend gefeiert. Im Herbst 1984 beginnen Jugendliche unter der Leitung unseres Hauptmanns, Hermann Toonen, mit dem Fahnenschwenken. 1985, zum 10-jährigen Bestehen der Jungschützengruppe, richtet die Antonius-Gilde den Bezirks-Jungschützentag aus. 1989 wird der bisher höchste Mitgliederstand von 86 Bruders verzeichnet. Um sein Amt in jüngere Hände zu legen, wird Johann Ingenhaag 1989 von Fred Bay als Präsident abgelöst, der bis 1995 die Gilde führt. Am Tage des Patronatsfestes 1990 wird Johann Ingenhaag für seine großen Leistung in den zurückliegenden 15 Jahren als Präsident, von der Versammlung einstimmig zum Ehrenpräsident ernannt und gewürdigt. Seiner Beharrlichkeit und seinem Einsatz ist es mit zu verdanken, das die Gilde den wohl größten Umbruch ihrer Geschichte, die Integration junger unverheirateter Männer, sehr gut überstanden hat.

Das Jubiläumsjahr 1994 (450 Jahre St. Antonius-Schützen-Gilde) wird für Fred Bay zum herausragenden Ereignis seiner 6-jährigen Amtszeit. Viele Wochen und Monate der Arbeit, unzählige Besprechungen und Vorstandssitzungen waren für die Vorbereitung dieses Jubiläums nötig. Eine der größten Aufgaben, die uns an den Rand unserer Leistungsfähigkeit gebracht hat, wurden mit der sehr erfolgreichen Romreise (19. bis 27. März 1994 – 114 Teilnehmer) durchgeführt.

60 Jahre nach Jakob Schraven, wird unser Anno-Sancto-Kreuz in den Händen des stellv. Präsidenten Rudi van Bühren, vom hl. Vater, Papst Johannes Paul II. persönlich, neu gesegnet. Einmalig waren auch die Festtage (29. April bis 02. Mai) auf unserem ehrwürdigen Gildenkamp. Nach über 30-jähriger Abwesenheit, wurde hier am 1. Mai wieder das Preis- und Königsschießen eröffnet. Günther Lörcks wird unter dem großen Jubel aller Anwesenden Festkönig, er wählt seinen Freund Heinz Kisters zum Adjutanten.

Seit dem 01. Mai 1963 führt die Antonius-Gilde ihr Preis- und Königsschießen auf dem neuen Hochstandgelände des Stadtbundes an der Twistedener Strasse durch.

Das Peelen unserer Vogelstange unter Beteiligung des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr Kevelaer, sowie ein sehr gut besuchter Tanzabend in den Mai im Festzelt, waren ebenso erfolgreiche Höhepunkte unserer Jubiläumstage. Aus gesundheitlichen Gründen gibt Fred Bay 1995 sein Amt zurück und stellt sich nicht mehr zur Widerwahl.

Seit dieser Zeit führt Rudi van Bühren als Präsident mit dem neugewählten Vorstand die Gilde. Zur Zeit besteht die St. Antonius-Schützen-Gilde aus 80 Mitgliedern: jung und alt, eine mittlerweile bewährte Mischung. In den letzten Monaten des Jahres 1996 sind über die Beratungsstelle des Rheinischen Archiv- und Museumssamtes (Dr. Dieter Kastner), das auch die Unterlagen aus dem Archiv in Wissen verwaltet, neue Erkenntnisse gefunden worden. Hieraus ergibt sich, das Alter der St. Antonius-Schützen-Gilde auf mindestens 468 Jahre, wahrscheinlich aber älter. Leider sind die jetzt im Wissener Schlossarchiv gefundenen Unterlagen aus dem Jahre 1531 die ältesten Erwähnungen dieser Art, und es kann mit großer Wahrscheinlichkeit, die Erforschung der noch länger zurückliegenden Geschichte der St. Antonius-Gilde nur dem Zufall überlassen werden.

Die neuen, oft schnelllebigen Zeiten machen auch oftmals vor Traditionen nicht halt. So konnte nicht verhindert werden, das unsere Stadtväter auf unserem traditionellen Gildenkamp den Bau eines Regenrückhaltebeckens planen und wohl auch ausführen werden. Unter dem Druck der Ereignisse, und nach langen und oft schwierigen Verhandlungen, wurde auf der Palmsonntagsversammlung am 28. März 1999 beschlossen, unser Land an die Stadt Kevelaer zu verkaufen. Dies geschah am 24. April 1999.

Rückblickend kann festgestellt werden: Eine reich erfüllte und stolze Vergangenheit liegt hinter Kevelaers alter Gilde, eine Tradition, die uns für die Zukunft verpflichtet.

Quellennachweis:

Archiv St. Antonius-Schützen-Gilde

Archiv Pfarre St. Antonius

Archiv Pfarre St. Marien

Archiv Johann Ingenhaag

Archiv Schloss Wissen

Archivberatungsstelle Rheinland

Dr. Dieter Kastner

Stadtarchiv-Armenbuch

Festschrift Antonius-Gilde 1907

Festschrift Antonius-Gilde 1963

²) Überlieferung des Gildenbruders Arnold Kempers aus dem Jahr 1984